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  • Lesser Ury, Vor dem Café, 1920er Jahre

"Vor dem Café"

Das Museum für Kunst und Kulturgeschichte präsentiert bis Ende Oktober 2022 die Sonderausstellung „Moderne und Idyll. Impressionismus in Deutschland". Unsere Kuratorin, die Kunsthistorikerin Lisanne Heitel, gibt Ihnen an dieser Stelle in regelmäßigen Abständen Einblicke in jene Zeit und stellt einzelne Werke vor. Dieses Mal geht es um das Schaffen des Berliner Impressionisten Lesser Ury. Sein Bild „Vor dem Café“ ist das Titelbild unserer Ausstellung...

Die Bilder des Berliner Impressionisten Lesser Ury illustrieren den Aufstieg Berlins von der Hauptstadt des Kaiserreichs zur pulsierenden Millionen-Metropole der Weimarer Republik. In den zwanziger Jahren parken vor einem mondänen Kaffeehaus wie dem Café Bauer, das bereits 1877 auf dem Boulevard Unter den Linden eröffnet hatte, keine Pferdedroschken mehr, sondern Automobile. Die bodenlangen Kleider der Damen sind mit jeder Saison kürzer geworden, Uniformen wurden wieder gegen schwarze Anzüge getauscht und: elektrische Glühbirnen ersetzen das Schummerlicht der Gaslaternen. Der aus Wien stammende Cafétier Matthias Bauer hatte exklusiv und als einer der ersten in seinem Café ein Stromerzeugungsaggregat aus Dampfturbine und Generator einbauen lassen – der Anekdote zufolge mussten Kellner die heiß laufende Turbine anfänglich mit Stangeneis aus dem Champagnerkeller kühlen.

Ury, der häufig ins Café Bauer kommt, um die Gäste zu zeichnen – Flaneure, einsame Damen, Gestrandete und Durchreisende –, inszeniert in seinem Gemälde „Vor dem Café“ das gelbe Kunstlicht der elektrischen Lampen. Der Lichtschein aus den großen hellerleuchteten Fenstern fällt auf die regennasse Straße der nächtlichen Stadt und spiegelt sich auf den stählernen Autodächern. Ein elegant gekleidetes Paar geht über die Straße auf das Café und davorstehende Menschen zu. Die Konturen des Paars verschwimmen mit dem Hintergrund der dunklen Gestalten, doch vor den gelben Schlieren der Spiegelungen setzen sich Mantel und Pelz ab. Zwischen hochgeschlagenem Kragen und Hut ist das Gesicht der Frau kaum auszumachen, der Blick, den sie über ihre Schulter zurückwirft, gilt jedoch eindeutig dem Betrachter.

Urys Momentaufnahmen von Straßen- und Cafészenen stehen für eine Facette des Impressionismus, der mit der bürgerlichen Gesellschaft eine neue Bildwelt entdeckt hatte. Der Künstler feiert das moderne Leben in der Stadt und setzt den überwiegenden Landschafts- und Naturszenen der anderen deutschen Impressionisten eine unverwechselbare eigene Position entgegen.

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