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  • Dr. Carsten Fleischhauer vor einem Werk von Heinrich Basedow: Gartenecke, 1916

Aufbruch in die Moderne

Als Gesamtphänomen ist er erst etwa in den letzten 30 Jahren in den Blickpunkt gerückt: der deutsche Impressionismus. Bei uns stellt sich die Kunstströmung auch nicht so homogen dar wie in Frankreich. Gerade das macht die Anfänge der modernen Kunst hierzulande jedoch so spannend und ist Thema der aktuellen Sonderausstellung „Moderne und Idyll“ des Museums für Kunst und Kulturgeschichte Schloss Gottorf. Viele der ausgestellten Werke stammen aus der Sammlung der Kunststiftung Bönsch. Dr. Carsten Fleischhauer, der bevollmächtigte Direktor des Museums, hat Sammlerin Elisabeth Bönsch zum Interview getroffen.

In der Sammlung der Kunststiftung Bönsch ist die Kunst des Impressionismus ein herausragender Schwerpunkt. Erinnern Sie sich noch an das erste impressionistische Kunstwerk, das Sie erworben haben?
O ja, das war eine Radierung von Othon Coubine (ursprgl. Otakar Kubín, 1883–1969), der noch zu den Impressionisten gerechnet wird. Junges Mädchen mit Hut heißt das Blatt, das ich meinem damaligen Freund Hans-Joachim Bönsch 1962 geschenkt habe. Es kostete mich ein ganzes Monatsgehalt, 60 DM. Diese Grafik ist so überzeugend, ich würde sie noch heute wieder erwerben.

Wie hat sich Ihr Interesse an impressionistischer Kunst entwickelt? Haben Sie mit den Franzosen begonnen oder mit den Deutschen?
Impressionismus ist ja der Aufbruch in die Moderne. Er begann mit den Franzosen und fand etwas später den Weg nach Deutschland, dank des unermüdlichen Einsatzes etlicher Museumsdirektoren und vor allem von Max Liebermann. Genauso verlief unser Sammeln: Erst die Franzosen, vor allem Grafik von Auguste Renoir, dann die Deutschen, Max Liebermann, Lovis Corinth, Max Slevogt, Lesser Ury und andere, die hier in der Ausstellung zu entdecken sind. Übrigens wurde nach der Wiedervereinigung das Angebot auf einmal sehr groß. Es wurden Mappen und Bücher hinter Schränken hervorgeholt, die bis dahin gut verborgen geblieben waren.

Ein Charakteristikum für die Kunst des Impressionismus ist die herausragende Bedeutung von Licht und Farbe – Aspekte, die sich besonders in der Malerei finden lassen. Als Sammlerin haben Sie aber den Schwerpunkt auf Papierarbeiten gelegt, viele davon sogar schwarzweiß oder monochrom. Was gefällt Ihnen besonders an impressionistischer Grafik?
Mein Mann und ich waren schon immer Freunde der grafischen Techniken. Max Liebermann sagte: „Zeichnen ist Weglassen“, also Konzentration auf das Wesentliche. Entgegen der verbreiteten Ansicht hat der Impressionismus keineswegs die Zeichnung abgeschafft, sondern einen eigenen Stil kreiert: durchlässig für Licht und Bewegung und die flüchtigen Schwingungen des Augenblicks. Die grafischen Verfahren kommen diesem Zeichnen ohne feste Konturen entgegen, indem sie die Tonwerte mit dem Weiß des Papiers auffangen. So können die impressionistischen Aspekte meiner Meinung nach oft entscheidender als in der Malerei zur Geltung kommen.

Max Slevogt, Porträt einer jungen Dame mit Violine (Dora Stach), 1911

Zwei sehr wichtige Positionen in Ihrer Sammlung sind die deutschen Impressionisten Max Liebermann und Lesser Ury. Zu Lebzeiten hätten sich die beiden oft als „Antipoden“ beschriebenen Künstler eine solche Nachbarschaft vermutlich vehement verbeten. Reizen Sie solche Gegensätze?
Diesen Gegensatz – hier liberaler Großbürger, da menschlich komplizierter armer Schlucker – nehme ich so nicht wahr. Für mich sind beide großartige Künstler. Liebermann sicher berühmter, Lesser Ury ist es aber wert, mehr ins Bewusstsein eines breiten Publikums gerückt zu werden. Wie viele seiner Kollegen war er fasziniert von der Elektrifizierung Berlins, hier in der Ausstellung gut zu sehen.

Am Eingang der Ausstellung hängt ein wunderbares Gemälde, das sich vielen Besucherinnen und Besuchern vermutlich ganz besonders einprägen wird: Das Portrait einer jungen Dame mit Violine, ein Hauptwerk von Max Slevogt aus dem Jahr 1911. Für Ihre Sammlung ist dieses großformatige Bild allerdings gar nicht so typisch. Wie ist es zu diesem Erwerb gekommen und wer ist die schöne junge Geigerin?
Dieses in der Tat wunderbare Gemälde von Max Slevogt ist eines unserer Lieblingsbilder. Normalerweise können wir uns ein solches Highlight bei unseren bescheidenen finanziellen Mitteln gar nicht leisten. Das Gemälde war aber zum Zeitpunkt unseres Ankaufs in einem erbarmungswürdigen Zustand, von Schimmel überzogen. Mein Mann hat erkannt, dass es nur einer sorgfältigen Reinigung und einer guten Rahmung bedurfte, um die ursprüngliche Ausstrahlung wiederherzustellen. Die schöne junge Geigerin ist Dora Steinbarth, die Tochter eines bekannten Slevogt-Sammlers in Berlin.

Zum Schluss die klassischste aller Fragen an eine Sammlerin: Haben Sie einen besonderen Favoriten in der Ausstellung, ein Lieblingsstück?
Die Geigerin ist natürlich ein besonderes Herzstück. Es ist mir nicht leichtgefallen, es nun zum zweiten Mal für eine Ausstellung nach Schleswig zu geben. Ansonsten sind unsere Kunstwerke fast alles Lieblingsstücke, jedes einzeln von uns ausgesucht, verbunden mit Begebenheiten und Geschichten aus einem langen Sammlerleben.

Das Interview ist Teil des Ausstellungskataloges.

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